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Die Frau
mit dem Silberblick

Rezension von Eva Heller:

Welchen soll ich nehmen?

Ullstein, München 2003. 368 Seiten.

 

[Tilla zu ihrer Mutter, nachdem diese Mann Nr. 7 (John Monz) kennengelernt hat:] „Du hast einen Silberblick.“ Wenn man Silber heißt, weiß man, früher war Silber gleichbedeutend mit Geld, deshalb ist ein Silberblick eigentlich das Schielen nach Geld.“ (S. 320)


Das Buch hat, wie die Widmung aussagt, für Frauen die Botschaft, „nicht ewig über die Männer zu jammern“, sondern zu lernen, „mit dem vorhandenen Material zu arbeiten“; für Männer gäbe es darin „praktische Tipps, wie man sich bei Frauen beliebt macht.“

Also wollen wir doch mal sehen, was das für Tipps sind.

Der Roman erzählt die Geschichte von Tilla Silber von ihrem 17. bis zu ihrem 29. Lebensjahr und ihre Erfahrungen mit den Männern, die sie in dieser Zeit ausprobiert hat.

Mann Nr. 1: Marti

Marti lernt sie auf dem Schulhof kennen. Er ist zwei Jahre älter als sie und trägt immer eine Lederjacke und große Silberringe. Er ist immer cool. Warum sie mit ihm zusammen ist? „Da alle fanden, wir würden optisch super zusammenpassen, war es logisch, dass wir uns in einander verliebten.“ (S. 9)

Warum sie ihn verlassen hat? Als Tilla zu studieren beginnt, bekommt sie eine Wohnung. Marti ist meist bei ihr, obwohl er offiziell bei seiner Mutter wohnt. „Da er offiziell nicht bei mir wohnte, bezahlte er auch nichts.“ (S. 15) Und das obwohl er schon als Student bei einer Maschinenbaufirma gut verdient. Er sagt: „Ich soll dir Geld geben, weil ich hier übernachten darf! Und zusätzlich deinen Küchenboden und dein Klo putzen! Da geh ich lieber gleich zur Domina […]“ (S. 19)

Mann Nr. 2: Gunter

Gunter wohnt im selben Haus, in dem Tilla ihre Studentenwohnung hat. Er ist „Beamter im gehobenen Dienst“, bei der Post. Er ist in China und Japan gewesen, das hat ihn tief beeindruckt. Es ist ihm egal, wie viel er verdient, denn in seiner Laufbahn rückt man automatisch vor und verdient jedes Mal mehr Geld als vorher. Er bildet sich viel auf seine fernöstliche Liebeskunst ein, aber Tilla dauert der Sex mit ihm zu lange, sie empfindet ihn als ein „Geduldsspiel“.
Warum sie ihn verlässt? Er lädt sie in ein China Restaurant ein. Der Kellner bringt die Rechnung und sagt, Gunter habe getrennte Rechnung gewünscht. „Gunter lächelte weise: „Ich hatte die Gedanken an alles Materielle ausgeschaltet. Lad dich ein andermal ein.“ (S. 33) Zum Abschied schreibt ihm Tilla ein Haiku, das darauf anspielt, dass Gunter beruflich in ein kleines Dorf versetzt wird: „Hinweg ins Kuhdorf, Gunter. Rutsch mir den Buckel runter. Sparschwein, du.“ (S. 35).

Mann Nr. 3: Hannes

Tilla lernt Hannes während ihrem Studium kennen. Bei der Vorbereitung eines Gruppenreferats in Germanistik über das Märchen „Rumpelstilzchen“ ist Hannes der einzige Mann in der Gruppe. Er braucht dringend Scheine (Zeugnisse), damit er weiterhin Studienbeihilfe (Bafög) bekommt. Warum nimmt sie ihn? „Er war nicht besonders sympathisch. Andererseits ein Mann mit Erfahrungen. Genau was ich brauchte.“ (S. 50) Hannes sagt, er habe schon mit 83 Frauen Sex gehabt; doch als er mit Tilla schläft, findet er den „Eingang“ nicht; beim zweiten Mal zwickt er ihr die Schamlippen ein. Er ist auch ein wenig ungustiös: Tilla ekelt sich vor den Pickeln auf seinem Rücken und bevorzugt es, wenn er ein Kondom trägt, weil sie an seiner Sauberkeit zweifelt.

Warum die Beziehung endet: Hannes kommt immer unangemeldet vorbei; in seinem Studentenheim ist er unerreichbar. Im Bett kommt er immer zu früh. Als Tilla ihm einmal vorwirft, ein schlechter Liebhaber zu sein, läuft er schreiend aus dem Haus.

Mann Nr. 4: Paulus Herzberg

Tilla lernt ihn am 8. März, dem Weltfrauentag bei einem Vortrag kennen. Paulus spricht sie an und lädt sie zu einem Wein und einem Kaffee ein. Er studiert katholische Theologie und wohnt im Priesterwohnheim. Warum ist sie mit ihm zusammen? „Ich, die Geliebte eines künftigen Bischofs? Das gäbe meinem Leben eine höhere Weihe. Und meine Mutter wäre beeindruckt.“ (S. 63)
Warum geht die Beziehung zu Ende? Paulus weiß alles besser über die Frauen, obwohl er keine Ahnung hat. Einmal nach dem Sex sagt Tilla zu ihm, dass sie ihn liebt, und er erwidert: „Ich liebe dich nicht.“ Tillas Vorstellungen von Geschlechterbeziehungen gehen mit den katholischen Vorstellungen von Paulus, die jenen des Apostel Paulus ähneln nicht zusammen.

Später trifft Tilla Paulus Herzberg zufällig wieder. Er ist in der Zwischenzeit Familientherapeut geworden. Sie möchte nur ein kurzes Gespräch zwischen alten Freunden führen, doch er gibt ihr eine Rechnung über 50 DM für ein therapeutisches Gespräch. In dem Gespräch sagt er ihr dass er einen therapeuten-zentrierten Therapieansatz verfolge, bei dem der Therapeut dem Klienten sage, wie sich der Klient fühlt. Frauen, sagt Paulus, hätten Schuldgefühle – das sei so seit Eva Adam den Apfel gab. Deshalb kämen auch überwiegend Frauen in Therapie – die Aufgabe der Therapeuten bestünde darin, sie in ihren Schuldgefühlen zu bestätigen. Paulus erklärt Tilla auf ihre Frage, dass der Apostel Paulus gesagt habe, der Mann, der eine Frau heirate, handle gut, der, der sie nicht heiratet, handle noch besser. Paulus Herzberg selbst stünde es nun, weil er kein Priester geworden ist, frei zu heiraten. Er sei aber nicht verheiratet, weil seine Freundin, die Vorzimmerdame seiner Psychotherapiepraxis, ihrerseits verheiratet sei. Für ihn sei das kein Problem, denn eine verheiratete Frau stelle keine finanziellen und weniger emotionale Ansprüche.

Mann Nr.5: Thomas Wegmann

Das ist derjenige, mit dem es am Ende was wird, also: den sie heiratet. Sie ist nun 27, sieht, dass sie den Abschluss ihres Kunstgeschichte- und Anglistikstudiums nicht mehr schafft und fährt nach London, um dort als „Cultural Guide“ zu arbeiten. In dieser Funktion führt sie Touristen durch Museen und Kunstgalerien.

Ein Jahr später wird Thomas Wegmann ihr Kollege; er ist für Firmenkunden zuständig, hat sein Kunstgeschichtestudium mit einem Magister abgeschlossen und verdient mehr als doppelt so viel wie sie. Tilla und Thomas experimentieren im Bett, probieren sexuell alles aus. Kurz vor seinem 28. Geburtstag verlässt Thomas Tilla, um bei seinem Onkel Richard in Stuttgart als Assistent in dessen Kunstauktionshaus zu arbeiten. Als Grund gibt er an, bis zu seinem 30. Geburtstag sein „Leben geregelt“ haben zu wollen. Er meint wohl: beruflich-finanziell in sichere Wasser zu segeln. Tilla ist schwanger, lässt das Kind abtreiben und kehrt nach Deutschland in die Stadt ihrer Mutter zurück.

Am Ende der Geschichte (nach der Demontierung von Mann Nr. 7) kommt Thomas Wegmann, zu dem Tilla in der Zwischenzeit den Kontakt nie ganz abbrechen hat lassen, zurück und schenkt ihr ein grünes Glas, auf dem er eingravieren hat lassen: „Werde glücklich mit mir“. Nachdem er seine berufliche Karriere geordnet hat, glaubt er nun, Tilla eine gemeinsame Zukunft anbieten zu können – und sie nimmt dieses Angebot an.

Mann Nr. 6: Steffen Bratengeier

Steffen lernt sie in einem Innenstadtcafé kennen. Er ist 33 Jahre alt, blond, 192 cm groß und Studienrat am Wilhelm-Hauff-Gymnasium, wo er Sport unterrichtet. Steffen hilft Tilla dadurch im Leben weiter, indem er sie dazu ermutigt, sich als Redaktionsassistentin bei den Stadtnachrichten zu bewerben, ein Job – den sie dann tatsächlich erhält, ohne entsprechende Ausbildung und ohne abgeschlossenes Studium.

Mit Steffen wird es nichts, weil er sie aus finanziellen Gründen nicht heiraten will. Sie zieht bei ihm aus, ins Haus seiner Eltern, wo sie mietfrei wohnen kann. Dort schwingt Steffens Mutter das Zepter, der Vater hat nichts zu sagen. Tilla vergleicht das mit einem Hühnerhaus mit Hackordnung. Sie lamentiert, dass ihr das Leben bei Steffen teurer kommt als in London, obwohl sie keine Miete zahlt, weil sie den Kühlschrank füllt und andere Kosten übernimmt. Als Tilla schließlich zur Heirat drängt, macht sie das mit dem Argument, sie lasse sich nicht länger ausnutzen (S. 254); Steffen ist beleidigt. Er sagt, eine Hochzeit sei teuer, und das Geld könne man sich sparen. Er sagt, wenn er sie heiratet, würde ihr automatisch die Hälfte des Hauses gehören. Tilla verlässt Steffen und seine Eltern letztlich im Streit über eine kaputte Waschmaschine.

Mann Nr. 7: John F. Monz

Sie verlässt Steffen, indem sie nach Berlin zieht. Sie hat dort ein Angebot von der Frauenzeitschrift „Francis“ als Journalistin. Ihre Lebensverhältnisse in Berlin sind anfangs prekär – das ist die Situation, in der ihr John F. Monz, der Chefredakteur dieser Frauenzeitschrift, hilft. John ist mittelgroß, etwas pummelig, 35 Jahre alt, dunkles, fettiges Haar, fettiges Gesicht, Mitesser auf der Nase, graues Hemd, grauer Anzug. Mit der Stelle wird es nichts, weil eine Mitarbeiterin der Frauenzeitschrift schwanger wird und nicht gekündigt werden kann. John nimmt Tilla bei sich in seiner Wohnung auf, sie schreibt Artikel und er gibt ihr Geld. Aber nicht nur für ihre Artikel, sondern auch zum Einkaufen, damit Tilla ihm seine neue, noch unfertige Wohnung ausstattet.

Der generelle Eindruck ist, dass John Tilla mit seinem Geld beindruckt, mit der Leichtigkeit, mit der er große Mengen Geld ausgibt und mit seiner goldenen Kreditkarte. Tilla schläft mit ihm und drückt ihm seine Pickel aus. „Und John war so dankbar. Er war begeistert, als ich ihm die Mitesser auf der Nase ausdrückte. Und es gäbe nichts Geileres, als wenn ich nackt auf seinem Rücken liege und seine Mitesser ausquetsche.“ (S. 301)

Leider kann John die gute Stimmung nicht aufrechterhalten, da Daphne, seine Frau, mit Chloe, seiner Tochter, aus Bali zurückkommen. John und Daphne leben seit Jahren getrennt, doch sind sie nach wie vor verheiratet, was Daphne ermächtigt, Forderungen an John zu stellen, andernfalls sie mit Scheidung droht. Dazu kommt, dass Daphnes Familie einen Anteil am Burhier-Konzern besitzt, der die Frauenzeitschrift „Francis“ herausgibt; John ist dort nur Angestellter.

Am Ende sticht Tilla John folgendermaßen aus: Sie hat für die Zeitschrift Artikel unter dem Namen Till Gold“ geschrieben. Die Stelle, die John Tilla in der Zeitschrift versprochen hatte, war nämlich dann doch nicht freigeworden und John hatte ihr angeboten, unter diesem Pseudonym zu schreiben. Unter den Mitarbeitern hatte sich in der Folge die Überzeugung gebildet, die Till Gold-Artikel stammten von John. Tilla ging nun so vor, dass sie zwei Artikel als Till-Gold verfasste, die die Leserinnen der Zeitschrift verärgern müssen. Dann ging sie in die Redaktion und behauptet, die vorigen, erfolgreichen Till Gold-Artikel stammten von ihr, aber die letzten beiden hätte John geschrieben. Diese Intervention führt am Ende zu einer Fixanstellung von Tilla und zum Rauswurf Johns.

 

Was Frauen wollen

In dem Roman ist ziemlich viel von Sex die Rede und davon, was der Mann dabei machen soll, um die Frau zu befriedigen. Aber dieses Thema scheint eher der Ablenkung von der Hauptsache zu dienen.

Hingegen ist ziemlich viel von Geld die Rede.

Fast gar nicht ist dagegen von Liebe die Rede: Für Tilla scheint Liebe keine Vorbedingung zu sein, wenn sie sich mit einem Mann auf eine Beziehung einlässt.

Es gibt eine Szene, die mir im Nachhinein als Schlüsselszene für das Verständnis des gesamten Romans erscheint: Tilla, noch neu in Berlin, besucht am Samstagabend eine Bar. Ein schicker Typ setzt sich neben sie und quatscht sie an. Er erzählt prahlerisch von seinen unternehmerischen Projekten und seinem Firmenvermögen im achtstelligen Bereich. Er bringt sie in die Hotelbar des Hotels Kempinski und bestellt zweimal Blinis [Anm.: Pfannkuchen] mit Kaviar und eine Flasche Veuve Cliquot für 145 Mark. Unter dem Vorwand, oben an der Rezeption nach einer Steckdose zu fragen, um seinen Laptop aufzuladen, läuft er davon und kommt nicht wieder. Tilla muss die hohe Zeche bezahlen (76. Kapitel).

Wenn das der Schlüssel zur Botschaft dieses Romans ist, dann besteht sein Inhalt in der Frage: Wer betrügt wen – Männer Frauen oder umgekehrt? Und was müssen Frauen tun, um nicht betrogen zu werden? Sie dürfen Männern nicht alles glauben, was sie sagen – das ist klar. Aber bei der Betrachtung von Tillas Männerbeziehungen stechen vor allem zwei Aspekte ins Auge: Es geht da einerseits darum,

  • ob Männer überhaupt etwas besitzen, das sie einer Frau geben können, und
  • ob sie auch die Bereitschaft haben, es ihr zu geben?

Steffen Bratengeier z.B. verfügt durchaus über Eigentum; aber er ist nicht bereit, es mit Tilla zu teilen:

„Steffen sagte, es ginge um viel mehr Geld: Als Ehefrau würde mir automatisch die Hälfte seines künftigen Eigentums gehören.

„Kannst du schriftlich haben, dass du dein Haus behalten kannst.“

„Wenn die Frau vor der Ehe unterschreibt, dass sie bei der Scheidung auf alles verzichtet, ist das nach heutiger Rechtsprechung ungültig, das gilt als sittenwidrig. Ich kann nichts dafür.“

"Kannst du beim Thema Heirat mal an was anderes denken als an Scheidung!?"

"Komm mir nicht mit dem Steueraspekt! Wenn ich baue, kann ich die Steuern wegdrücken, muss ich mich nur verschulden."

"Kannst du mal an was anderes denken als an Geld!?"

"Wenn du plötzlich Kinder willst und nichts verdienst, wirds ganz happig.""

(S. 255)

Steffen, der Gymnasiallehrer, der bei seinen Eltern wohnt, hat sein Leben finanziell optimiert. Er handelt also rational, indem er es auf seine eigenen Bedürfnisse ausgerichtet hat. Aus dem Grund übt er Vorsicht gegenüber den finanziellen Risiken, die mit der Ehe einhergehen. Tilla hingegen wünscht sich Ehe und einen eigenen Hausstand auch deshalb, um ihn aus der Einflusssphäre seiner Mutter zu entziehen. Sie will ihn allein für sich haben, und nicht „das dümmste Huhn“ auf dem Hühnerhof der Familie Bratengeier bleiben.

Mit seiner Einstellung erweist sich Steffen als Schnorrer. Schnorrer sind aber für Tilla auch die meisten Männer vor Steffen gewesen. Am deutlichsten Hannes, der Bafögler, der überhaupt nichts anderes tut als Andere auszunutzen, insbesondere den Staat mit seinem Sozialsystem. Das einzige, das für Hannes spricht, ist sein übersteigertes Selbstvertrauen, das darauf hindeutet, dass er imstande wäre, Ressourcen zu erwerben, die er einer Frau zur Verfügung stellen könnte, wenn er das wollte. Aber als geeichter Schnorrer will er das natürlich nicht, denn er will alle ausnutzen, auch die Frauen.

Weitere Varianten von Schnorrern sind Marti, der zu Beginn von Tillas Studentenzeit in ihrer Wohnung wohnt, aber nichts dafür bezahlt, und Paulus Herzberg, der alle Regeln und Gesetze so zu drehen versteht, dass sie von Vorteil für ihn sind (und zum Nachteil für Tilla).

Auch Gunter, der Postbeamte, ist natürlich ein Schnorrer: Beamter, aber sparsam: Wozu ist jemand, Beamter, wenn er dann von seinen finanziellen Vorteilen, die mit seinem Stand verbunden sind, nichts, abgeben will? Ein Widerspruch in sich.
John Monz schließlich ist ein Mann, der etwas zu geben hat und es auch geben möchte, aber es aufgrund seiner Lebensumstände zum Teil nicht geben kann, da ihm seine Frau Daphne Steine in den Weg legt und er in der Hierarchie des Unternehmens nicht hoch genug steht, um so handeln zu können, wie er will oder wie er es Tilla verspricht.

Thomas Wegmann erweist sich als der ideale Mann, weil er bereit ist, seine Ressourcen mit Tilla zu teilen. Allerdings hat er anfangs nur die Bereitschaft zu geben, jedoch nichts, das er geben könnte. Nachdem er sich im Kunsthandelshaus seines Onkels eingearbeitet hat, hat er dann auch etwas zu geben und erfüllt beide Voraussetzungen.

Das „Geschäft“, einen Mann zu finden, ohne dabei übers Ohr gehauen zu werden, will Tilla offenbar bis zu ihrem 30. Geburtstag in trockenen Tüchern haben:

„Das Elend meiner Zukunft kam in mir hoch: „Das Leben ist kein Abenteuerspielplatz. Ich will wissen, wo ich hingehöre. Vielleicht habe ich Torschlusspanik.“ (S 267)

Es geht also für Tilla in ihren Männerbeziehungen um Geld, um „Großzügigkeit“ (als die Bereitschaft der Männer, ihr Geld zu geben) und um den Faktor Zeit, der ebenfalls recht wichtig zu sein scheint.

Das Vorbild Julia

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist, dass Tillas Mutter ihrer Tochter immer Neuigkeiten aus dem Leben von Julia erzählt. Julia ist eine schöne Blondine. Ihr gehört die Wohnung, in der Tilla ihre Studentenzeit verbringt. Auch in den Erzählungen von Julias Errungenschaften geht es nicht um die erfüllte Liebe. Tilla nimmt diese Erzählungen von den Erfolgen Julias zur Kenntnis. Sie sieht sich selbst als eine andere Art von Person als Julia, lehnt die Kriterien, an denen sich Julias Erfolg im Leben bemisst, aber offenbar nicht ganz ab.

„Julia war bereits mit einem Münchner Barbesitzer verheiratet. Ja, verheiratet. Und seine Bar sei eine Lizenz um Gelddrucken.“ (S. 18)

„Stell dir vor, Julia ist sogar schon wieder geschieden. Mit einer Abfindung in Millionenhöhe. (S. 206)

„…Julia hat schon wieder einen Neuen. Noch reicher als der Barbesitzer, der Neue macht Besseres.“ (S. 248)

„Übrigens, Julia bekam von ihrem Neuen einen Mercedes geschenkt.“ (S. 251).

Julia scheint Tilla immer mehrere Schritte voraus zu sein. Erst als sich der letzte Heiratskandidat als Flopp erweist, während Tilla Thomas Wegmann an Land gezogen hat, wendet sich das Blatt.

 

SCHLUSS

Aus dem Roman Welchen soll ich nehmen? von Eva Heller erfahren die Leser sehr präzise, wie und nach welchen Kriterien Frauen sich ihre männlichen Beziehungspartner aussuchen. Ich fürchte nur, dass diese Botschaft aufgrund des unterhaltsamen Charakters des Buches und generell aufgrund des mangelnden Ernstes, mit dem dieses Thema zumeist diskutiert wird, nicht wahrgenommen wird.

Die männlichen Leser erhalten bei der Lektüre des Buchs durchaus auch einen Eindruck davon, wie sie sich bei Frauen beliebt machen können. Die Frage ist nur, ob sie das immer noch tun wollen, nachdem sie es erfahren haben.

 

(Wien, 12.10.2018)

© helmut hofbauer 2018